Sind angeborene Fehler des Immunsystems verantwortlich an schweren Verläufen von COVID-19?
Virologische Fragestellungen sind derzeit in aller Munde. Oft werden Preprints (noch von keinem Gutachter geprüfte Veröffentlichungen) in - oft auch jorunalistisch anspruchsvoll erscheinenden Medien - zitiert. Dabei schaut der Autor und damit der Leser oft auf die Schlagzeile, ohne die Hintergründe zu verstehen. Häufig werden, so scheint es zumindest, die Paper auch nicht zu Ende gelesen und schon gar nicht verstanden.
Was ich hier versuchen will, ist eine Zusammenfassung zu virologischen Fragestellungen zu geben. Dabei kann es auch Kontroversen geben; dies ist in der Wissenschaft unumgänglich und durchaus auch wünschenswert. Manchmal wird etwas bestätigt, manchmal etwas widerlegt.
Die Interferon-Antwort auf das Virus SARS-CoV-2
Der heutige Post beschäftigt sich mit den Interferon-Genen des Menschen. Die Wissenschaft kennt derzeit drei Typen von Interferonen (IFN). Zu Typ-I-Interferonen gehören IFN-α, IFN-β, IFN-κ, IFN-ε und IFN-ω. Das einzige Typ-II-IFN ist IFN-γ. Zu den Typ-III-IFNs gehören drei IFN-λ-Gene (L-28A, IL-28B und IL-29). Die INFs werden von verschiedenen Zelltypen produziert.
IL (Interleukine) = gehören zu den Cytokinen. Peptidhormone, d. h. körpereigene Botenstoffe der Immunzellen. Vermitteln die Kommunikation zwischen Makrophagen, Endothelzellen, CD4+-T-Zellen und Monozyten
Interferone = Cytokine, die von verschiedenen Körperzellen gebildet werden und mit Virusinfektionen interferieren. Die Gene dafür enthalten keine Introns, was evolutionsbiologisch geschickt ist, weil sie ohne vorhergehende Prozessierung direkt translatiert und in Proteine übersetzt werden. Interferone hindern Viren daran, auf nichtinfizierte Zellen überzugreifen. (Janeway, 149)
Gene = Sind in der DNA codiert und bestehen aus der Abfolge unterschiedlicher Basen wie Guanin, Cytosin, Thymin und Adenin. G und C sowie T und A sind dabei komplementär und stehen sich in der DNA gegenüber. Sie bilden Wasserstoffbrücken miteinander aus und halten so zusammen.
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Gen |
Zelltyp |
Wirkung |
Rezeptor |
Typ I |
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Allgemein:
verstärkte MHC-Klasse-I-Molekülbildung |
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IFN-α |
IFNA (12
Gene, Gencluster) |
Monozyten |
Aktivieren STAT1
und STAT2, die mit IRF9 gemeinsam ISGF3 bilden Machen Zellen
resistent gegen Virusreplikation durch Mx-Proteine, 2´-5´-verknüpfte Adenosinoligomere
und PKR Stimulieren
IFIT-Proteine, die die Translation der viralen RNA hemmen Aktivieren
Dendritische Zellen und Makrophagen Aktivieren NK-Zellen,
um virusinfizierte Zellen zu töten Induzieren Chemokine,
die Lymphozyten anlocken |
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IFN-β |
IFNB1 |
Fibroblasten |
Regt Zellen
an, IFN-α zu produzieren |
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IFN-κ |
IFNK |
Keratinozyten |
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IFN-ε |
IFNE1 |
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IFN-ω |
IFNW |
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Typ II |
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IFN-γ |
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CD4+-T-Zellen,
NK-Zellen, CD8+-T-Zellen nach Kontakt mit antigenpräsentierenden Makrophagen |
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Typ III |
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Epithelzellen,
nicht von Fibroblasten |
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Heterodimerer
IFN-λ-Rezeptor, aus IL -28Rα- und β -Untereinheit des IL-10-Rezeptors, IFNLR1 |
(Janeway, 150, https://flexikon.doccheck.com/de/Interferon)
Aktuelle virologische Fragestellungen
Um sich als Virus erfolgreich von Zelle zu Zelle weiterzuverbreiten, entwickeln sie im Rahmen der Evolution Mechanismen, um die IFN-Antwort zu umgehen. Ferner ist es von Vorteil für das Virus, wenn angeborene Mutationen in den Genen die IFN-Antwort ineffektiv machen oder sie zu spät einsetzt. Hierzu sind schon einige Untersuchungen veröffentlich worden:
1. Zhang, Q. et al.: Inborn errors of type I IFN immunity in patients with life-threatenig COVID-19. Science 2020.
Angeborene Mutationen in den Genen IFNAR1 (einem Rezeptor, der mit dem JAK-STAT-Signalweg assoziiert ist) führen zu einer weniger starken IFN-Immunantwort. (s. Tabelle oben). Ebenso verhält es sich mit dem IRF7 (Interferon Regulatory Factor 7) und dem TLR3 (Toll-like-Rezeptor 3). Die oben in der Tabelle genannten Punkte in der Funktion werden dadurch nicht in vollem Umfange oder sehr viel später angestoßen und bis dahin kann sich SARS-CoV-2 deutlich besser etablieren als dies bei Menschen geschähe, die diese angeborenen Defekte bzw. Mutationen nicht haben. Die Forscher haben eine Reihe von Mutationen getestet, die in Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf vorkamen und einige der Mutationen verringerten die Menge an beispielsweise TLR3.
Zu diesem wissenschaftlichen Beitrag gibt es auch eine Erwiderung Cotsapas et. al.: Do monogenic inborn errors of immunity cause sesceptibility to severe COVID-19?
Hier beschreiben die Autoren, dass sie bezweifeln, dass alle Gene wirklich kausal für die Schwere der Erkrankung seien. Außerdem basierten die Reporter-Assays auf Transfektionen, was einer homozygoten Vererbung entsprechen würde, aber 21 der 23 Patienten heterozygot für die Variante sind. Somit sei auch die Annahme nicht berechtigt, die heterozygoten Allele wirkten auf autosomal-dominante Weise. Den Autoren zufolge gebe es keine Evidenz für Mutationen in IFN-Genen und einem stärkeren COVID-19-Verlauf.
Diese Diskussion scheint also noch nicht beendet.
2. Bastard, P. et al.: Autoantibodies against type I IFNs in patients with life-threatening COVID-19. Science 2020.
Die gleichen Arbeitsgruppen wie unter 1. haben herausgefunden, dass 10,2 % der schwer an COVID-19-Erkrankten neutralisierende Autoantikörper gegen IFN-ω, IFN-α oder gegen beide hatten. Einige hatten Autoantikörper gegen drei Typ-I-IFNs. Diese Antikörper neutralisieren das frisch gebildete, körpereigene und gegen das Virus wirksame Interferon. Die IFNs sind dann nicht mehr in der Lage, das Virus zu inhibieren. Innerhalb der akuten Phase waren sehr geringe oder keine IFN-α-Levels messbar. Die Autoantikörper waren in Individuen mit asymptomatischen oder milden SARS-CoV-2-Infektionen nicht nachweisbar. In komplett gesunden, vor der Pandemie getesteten Individuen gab es lediglich bei 0,33 % Autoantikörper gegen IFNs. Also ist dies eine Folge der Infektion mit SARS-CoV-2. Von der Bildung der Autoantikörper waren vor allem Männer betroffen, was den schwereren Verlauf von COVID-19 bei Männern erklären könnte.
3. Lei, X. et al.: Activation and evasion of type I interferon responses by SARS-CoV-2. Nature Communication 2020.
Die Arbeitsgruppe untersuchte ebenfalls die Produktion von IFNs. Nach 24 Stunden beginnt die Replikation von SARS-CoV-2. Durch die Infektion wird eine IFN-β-Antwort ausgelöst, aber dies geschieht erst nach 24 Stunden. Ebenso kommt es zu einer Expression von Interferon Stimulating Genes (ISGs). Im Vergleich zum Sendai-Virus (SeV) wird die Immunantwort aber deutlich später angeschmissen. Dabei haben Lei et al. auch festgestellt, dass das virale Protein des ORF6 den RIG-I-Signalweg hemmt. Je mehr Protein des ORF6, desto geringer die IFN-β-Antwort: ORF6 verringert die Aktivität von IRF3 mit seinem C-terminalen Ende. Ebenso inhibiert der ORF die Promotoren der ISRE und ISG56. Ebenso wird STAT1 durch den C-Terminus inhibiert. Dadurch wird eine geringere Immunantwort induziert. ORF6 inhibiert STAT1 Translokation im Zellkern, aber nicht seine Phosphorylierung. Auf der anderen Seite wurde auch getestet, ob die zusätzliche Gabe von IFN-β die Replikation von SARS-CoV-2 inhibiert. Bei 100 und 500 U/ml gab es eine starke Stimulation von ISG54 und ISG65, die virale RNA sinkt bei 500 U/ml auf nahezu null.
Anmerkung zu asymptomatisch Infizierten: Viele PCR-Testergebnisse werden ohne den Ct-Wert angegeben, der eine Tendenz darüber geben könnte, ob die infizierte Person auch infektiös für andere ist. Die q-RT-PCR kann kleinste Virus-RNA-Schnipsel nachweisen, ohne dass die Person infiziert oder infektiös für andere ist. Je geringer der Ct-Wert, desto höher das Virusmaterial zu Beginn in der Probe. Je höher der Ct-Wert, desto weniger Virusmaterial war zu Beginn vorhanden.
Interessante Ergebnisse von Zhang et al.: SARS-CoV-2 RNA reverse-transcribed and integrated into the human genome. Preprint 2020.
Die Frage kam immer wieder auf: Warum sind auch Personen noch bei der PCR positiv, haben aber keine Symptome mehr und sich auch nicht mehr infektiös? Die Arbeitsgruppe fand heraus, dass die RNA (Ribonukleinsäure) des Virus nach dem Eintritt in den Zellkern der menschlichen Zelle zu DNA (Desoxyribonukleinsäure) ergänzt werden und sich diese DNA in das menschliche Genom einbauen kann. Das Enzym Reverse Transkriptase der LINE-1-Sequenzen oder die Reverse Transkriptase von HIV-1 können die RNA in DNA umbauen und über Integrasen ins menschliche Genom einbauen. Dies könnte erklären, dass weiterhin virale RNA produziert wird und die Patienten weiterhin positiv getestet werden, obwohl sie nicht infektiös und auch nicht infiziert sind.
Dieselbe Arbeitsgruppe fand dann in Zhang et al.: Reverse-transcribed SARS-CoV-2 RNA can integrate into the genome of cultured human cells and can be expressed in patient-derived tissues. PNAS 2021 folgendes heraus:
Kultivierte Zellen können SARS-CoV-2-RNA tatsächlich über LINE-1-Sequenzen integrieren. Die DNA-Kopien im Genom der humanen Zellen hatten Duplikationen, die von viralen Sequenzen und LINE-1-Endonukleasen erkannt werden können an ihren Enden. Infektiöse Viren können aber nicht von den subgenomischen SARS-CoV-2- Sequenzen produziert werden.
Wenn also SARS-CoV-2-RNA durch LINE-1-Sequenzen und die Reverse Transkriptase in das Genom eingebaut werden kann, ist die Frage zu stellen, ob das die mRNA (messenger RNA)-Impfung auch kann. Und das, obwohl sie als mRNA vorliegt und eigentlich nur am Ribosom abgelesen und zu Protein gemacht werden sollte. Der Vektor-basierte Impfstoff (zum Beispiel von AstraZeneca und Johnsson&Johnsson) muss in den Zellkern, um von dort Transkripte zu machen, die zur Translation führen und aus dem Zellkern am Ribosom zu Protein werden.
Es könnte aber auch Vorteile für den Menschen bringen, dass SARS-CoV-2-RNA ins Genom eingebaut wird. Hierzu auch mein Artikel Wird HIV im menschlichen Körper bald keinen Schaden mehr anrichten? (https://7-methylguanosin.blogspot.com/2018/02/wird-hiv-im-menschlichen-korper-bald.html). Vielleicht verschaffen Sie dem Individuum und damit seinen Nachkommen auf lange Sicht einen Überlebensvorteil?
LINE-1-Sequenzen: Finden sich im menschlichen Genom breit verstreut. Mit dieser Sequenz wird auch ein Enzym mit dem Namen Reverse Transkriptase (RT) hergestellt, das RNA in DNA umwandeln kann. Die RNA des Virus SARS-CoV-2 wird also in DNA umgeschrieben und über eine Integrase ins Genom eingebaut werden.
Integrase: Können Fremd-DNA in das menschliche Genom einbauen.
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